Einführungsvortrag und Zeitzeugengespräch

iim Rahmen der Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen" der Friedrich-Ebert Stiftung am 05.07.2019

Nach der ersten Pause begrüßt OStD Matthias Zimpel über 100 SchülerInnen, KollegInnen und die Vortragende Birgit Mair in der Aula der Martin-Segitz-Schule. Der Schulleiter teilt mit, die B3 sei Teil des Netzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" und um diesem Titel gerecht zu werden, lade der zuständige Arbeitskreis u.a. Experten zu Diskussionsrunden ein.

Dieses Mal referiert Birgit Mair, Mitbegründerin des Nürnberger Instituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung e.V. (ISFBB), Co-Autorin der internationalen Studie zu NS-Zwangsarbeit Hitlers Sklaven und Autorin des Buches Überlebensberichte von Josef Jakubowicz. Die Diplom-Sozialwirtin ist Rechtsextremismus-Expertin und kuratiert seit über 10 Jahren erfolgreich diverse Wanderausstellungen zu diesem Thema.

Sie beginnt ihre Ausführungen mit einem Überblick über die Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft im Jahr 2019 steht: Rechtsruck in Europa und Wahlerfolg der AfD sowie Erstarken der neuen Rechten wie Pegida, Identitäre und Einprozent. Sie erwähnt jedoch auch, dass v.a. durch Gegendemos der Einfluss von Pegida in unserer Region eingedämmt worden ist.

Es folgt ein Exkurs über die Geschichte der Abwertung vom Kolonialismus bis in die Gegenwart. Verbalen Entgleisungen folgt oft ein Absprechen des Menschseins des verhassten Gegenübers. Auf verbale folgt irgendwann die physische Gewalt.

Sie schließt Ihre Ausführungen mit dem NSU im Allgemeinen und dem tragischen Schicksal der Familie Şimşek im Speziellen ab. Wie alle anderen Opferfamilien wurden auch die Şimşeks von den Ermittlern Jahre lang kriminalisiert. Man konnte sich die damals sog. „Dönermorde" nicht anders erklären als durch Milieu-Kriminalität unter Migranten und war wohl „auf dem rechten Auge blind". Erst nach zwölf Jahren flog der NSU mehr oder weniger zufällig auf.

Im letzten Teil ihres Vortrags grenzt Mair, motiviert durch Zwischenfragen von Schülern, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus voneinander ab. Sie veranschaulicht ihre Ausführungen mit Auszügen aus Reden Rechtsextremer. Diese fordern z.B. die Anwendung der genannten Nürnberger Rassengesetze und lehnen die freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Im neonazistischen Bereich existieren Modeversandhandel, bei denen sogar völkisch anmutende Baby-Strampler bestellt werden können. Entstanden ist der parteipolitisch daherkommende III. Weg unter anderem aus dem seit 2014 verbotenen FNS (freies Netz Süd). Die WWT (Weiße Wölfe Terrorcrew) ist eine Vereinigung, die einen Sprengstoffanschlag auf ein Flüchtlingsunterkünfte in Bamberg geplant hat. Neue Rechte Organisationen wie die AfD verzichten auf offene Hitlerverehrung und versuchen dadurch, extrem rechtes Gedankengut hoffähig zu machen.

Abschließend weist Frau Mair auf ihre Broschüre „Extreme Rechte und Rassismus in Bayern" hin. Die anwesenden SchülerInnen nehmen viele kostenlose Exemplare mit.

Abschließend weist Frau Mair auf ihre Broschüre „Extreme Rechte und Rassismus in Bayern" hin. Die anwesenden SchülerInnen nehmen viele kostenlose Exemplare mit.

Zeitzeugengespräch

Gleich nach der zweiten Pause folgt der emotionale Teil der Veranstaltung: Nun spricht Frau Eva Franz zu über 100 gebannt lauschenden SchülerInnen aus anderen Klassen als beim ersten Teil. Was macht Ihren Vortrag so faszinierend?

Sie wurde 1940 in eine Familie Deutscher Pferdehändler geboren und als Kleinkind von den Nazis nach Auschwitz verschleppt. Frau Franz kann aus erster Hand vom Völkermord und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit berichten. Sie ist eine der wenigen Zeitzeugen, die noch am Leben sind und ihre furchtbaren Erfahrungen an die glücklichen Nachgeborenen weitergeben können. Gemeinsam mit Birgit Mair, welche die Veranstaltungen moderiert, nimmt sie diese emotional anstrengende Rolle wahr, um ihren Teil dazu beizutragen, dass sich Grausamkeiten dieses Ausmaßes nie mehr wiederholen.

Doch wieso wurde sie zusammen mit einem Dutzend Familienangehöriger auf einen LKW gezwungen und in ein Vernichtungslager gebracht? Sie selbst ist deutsche Staatsbürgerin. Ihr Vater und ihre Onkel kämpften für die Wehrmacht.

Der Holocaust ist von den Nationalsozialisten penibel vorbereitet worden. Man legte Stammbäume „verdächtiger" Familien an. Frau Franz gehört der Volksgruppe der Sinti und Roma an. Fanden die Nazis ab der Stufe der Urgroßeltern Familienmitglieder, die – wie bei Frau Franz – „Zigeuner" waren, wurde man in ein Konzentrationslager deportiert.

Ihre Großmutter, welche als „arisch" eingestuft und nicht verschleppt wurde, hatte 11 Kinder. Nur zwei überlebten den Holocaust. In Auschwitz verlor Eva Franz zuerst ihre 10-jährige Schwester, welche an Unterernährung und Typhus starb. Ihr Vater wurde vor ihren Augen ausgepeitscht und dann ins KZ Mauthausen verlegt.

So blieb ihr nur ihre Mutter, welche sie vor dem elektrischen Zaun warnte und versuchte, das Elend so gut es ging von ihrer Tochter fern zu halten. Auf die Frage der kleinen Eva, was denn da so brenne in den Öfen, entgegnete die Mutter daher, dort würde Brot für die Häftlinge gebacken. Die beiden wurden ins Frauen-KZ Ravensbrück verlegt, in dem die Mutter an Auszehrung starb; insgesamt wurden dort ca. 92.000 Frauen ermordet.

Die letzte Station auf Eva Franz' Odyssee war das Konzentrationslager Bergen-Belsen, welches am 15. April 1945 von britischen Truppen befreit worden ist. Eine Mitinsassin der Mutter brachte Eva danach ins Nothospital Belsen und begab sich dann – wie sie es Evas Mutter versprochen hatte – nach Fulda, wo sich die Mitglieder der Familie Franz für den Fall ihres Überlebens verabredet hatten. Sie fand nur Evas Großmutter, eine Tante und den Vater vor, welcher sofort nach Belsen aufbrach, Eva schließlich an einer Narbe erkannte und mit nach Fulda nahm, wo die Tante in die Rolle der Mutter schlüpfte.

40 Jahre später produzierte die Medienwerkstatt Franken eine Dokumentation über das Schicksal der Familie und deren Kampf um Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus. Jahrzehntelang sind Anträge auf Entschädigung abgelehnt worden; groteskerweise vermutlich durch ehemalige Nationalsozialisten, die nun im Behördenapparat der BRD untergetaucht waren. Es ist das Jahrzehnt des Hungerstreiks der Sinti und Roma in Dachau und langsam aber sicher änderte sich auch die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Schließlich erhielt Frau Franz eine Entschädigung in Form einer kleinen Rente.

Nach Frau Franz' Schilderungen, die auch sie selbst immer wieder zu Tränen rührten, sind die Zuhörer erschüttert. Trotzdem stellen viele SchülerInnen Fragen über ihre Vergangenheit, aber auch wie es Frau Franz heute geht. Sie sei zwar oft traurig, habe aber eine große Familie, die ihr Halt gebe. Privat behält sie ihr Schicksal meist für sich. Selbst ihre Kinder erfuhren erst auf einer Schulveranstaltung von den Gräueltaten, die ihre Mutter hatte ertragen müssen. Sie weiß jedoch um die Wichtigkeit ihres Engagements und wird mit Frau Meir noch möglichst viele Schulen besuchen.

Diese weist noch auf eine Veranstaltung am 15. September 2019 hin, bei der Frau Franz gemeinsam mit drei weiteren Holocaust-Überlebenden im Gewerkschaftshaus Nürnberg aus Ihrem Leben erzählen wird (weitere Informationen: www.isfbb.de).

Herr Schmid, der in seiner Rolle als Fachbetreuer für Sozialkunde gemeinsam mit dem Arbeitskreis „Schule ohne Rassismus" die Ausstellung samt begleitender Podiumsdiskussion organisiert hat, verabschiedet Birgit Mair und Eva Franz und beendet die Veranstaltung mit der Feststellung, dass zwar niemand der Anwesenden eine Verantwortung an dem trägt, was Frau Franz erleben musste. Aber jeder einzelne trage Verantwortung dafür, dass so etwas nie mehr geschehe. Sein Wort in Gottes Ohr!
Eva Franz und Birgit Mair haben das Ihnen Mögliche dazu beigetragen.